Immobilien- & Baurecht
Neue Abwicklungsmodelle der öffentlichen Hand bei Bau- und Infrastrukturprojekten
Krisen schaffen immer wieder Raum für Neuerungen. Das lässt sich aktuell auch bei der Abwicklung von Infrastruktur- und Hochbauprojekten der öffentlichen Hand feststellen.
Die Deutsche Bahn versucht sich in Zusammenarbeit mit der TU Berlin und der Bauindustrie an einem „Partnerschaftsmodell Schiene“ (https://www.db-neues-werk-cottbus.com/projekt/cooperationsmodell/partnerschaftsmodell-schiene.html). In Bayern ist in letzter Zeit vermehrt die Vergabe von Hochbauprojekten im sogenannten Totalunternehmer-Modell („TU-Modell“) zu beobachten. Was verbirgt sich hinter diesen Modellen?
Gemein ist diesen Modellen insbesondere der Gedanke, dass der Projektpartner möglichst früh in das Projekt eingebunden wird mit dem Ziel, die praktische Umsetzungserfahrung bereits in die Planung zu integrieren („Planen und Bauen aus einer Hand“). Dabei werden dem TU weitgehend die erforderlichen Planungsleistungen übertragen. In der Praxis treten unterschiedliche Grade der Übertragung der Planungsverantwortung auf. Sie gehen von der Übertragung lediglich der Ausführungsplanung bis hin zur Übertragung der vollständigen Planungsverantwortung. Die Bestimmung der Bauleistung erfolgt nicht mehr klassisch durch ein detailliertes Leistungsverzeichnis. Das geschuldete Bausoll wird vielmehr funktional beschrieben (Funktionale Leistungsbeschreibung). Damit wird den ausführenden Unternehmen ein grundsätzlich großer Spielraum zur Umsetzung und Erreichung der definierten Ziele eingeräumt.
Mit diesen Modellen werden unterschiedliche Ziele verfolgt:
Durch die frühzeitige Einbindung der ausführenden Unternehmen sollen innovative Lösungsansätze zur Erreichung des funktionalen Werkerfolgs gefördert werden. Darüber hinaus sollen Planungs- und Bauprozesse effizienter werden: Verkürzung der Bauzeiten bei gleichzeitiger Reduzierung der Kosten.
Besonders geeignet für die Abwicklung als TU-Modell sind Bauvorhaben, die mit einem hohen Vorfertigungsgrad realisiert werden sollen, wie z.B.
- Modulbauten,
- serielles Bauen oder
- Bauvorhaben in Holzsystembauweise.
Die Erwartungen an die Vorteile dieser Modelle sind hoch. Teilweise geht man von einer Zeiteinsparung bei der Projektabwicklung von 30% bis 50 % aus. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Erwartungen erfüllen. Sollten sich diese Modelle am Markt als zusätzliche Abwicklungsalternativen etablieren, wird dies erhebliche Auswirkungen auf den Bau- und Planungsmarkt zeitigen. Die bauausführenden Unternehmen werden sich vertieft mit Planungsfragen und -prozessen auseinandersetzen müssen, vielleicht sogar eigene Planungseinheiten schaffen. Die Architektur- und Ingenieurbüros wiederum werden sich darauf einstellen müssen, seltener mit einer Vollarchitektur beauftragt zu werden. Sie werden für den Auftraggeber vielmehr nur noch frühe Planungsphasen als Grundlage für die TU-Ausschreibung und anschließend noch eine Art „Objektüberwachung light“ erbringen, oder als Nachunternehmer bzw. ARGE-Partner für oder mit bauausführenden Unternehmen zusammenarbeiten.
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