Immobilien- & Baurecht
„Sicher ist nur das Amen in der Kirche!“ Die Tücke mit den Sicherungsklauseln im Bauvertrag.
In Bauverträgen sind Sicherungsklauseln üblich. Darin verpflichtet sich der Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber für bestimmte Ansprüche des Auftraggebers – regelmäßig Erfüllungsansprüche oder Mängelansprüche nach Abnahme – eine Sicherheit zu stellen. Das geschieht meist in Form einer Bürgschaft. Wird der Auftragnehmer insolvent, zeigt sich, ob diese Sicherungsklauseln das halten, was sie versprechen. Der Bürge wendet nämlich bei Inanspruchnahme meist die Unwirksamkeit der Sicherungsklausel ein und verweigert die Auszahlung. Das Oberlandesgericht Celle behandelt im Beschluss vom 10.10.2022 - 14 U 28/22 unwirksame Sicherungsklauseln und zeigt auf, worauf man achten muss.
SACHVERHALT
Im Fall des Oberlandesgerichts Celle ist im Vertragsmuster des Auftraggebers geregelt, dass der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 10%, die auch Mängelansprüche nach Abnahme sichern soll, und zusätzlich eine Mängelansprüchesicherheit von 5% der Brutto-Auftragssumme zu stellen hat. Geregelt ist weiter, dass die Bürgschaft für die Dauer der vereinbarten Verjährungsfrist für Mängelansprüche zu stellen ist (zum Rückgabezeitpunkt der Mängelansprüchesicherheit steht in der veröffentlichten Entscheidung nichts). Der Auftragnehmer stellt eine Vertragserfüllungsbürgschaft durch eine Bank. Im Bauablauf wird der Auftragnehmer insolvent. Der Auftraggeber verlangt wegen der Fertigstellungsmehrkosten Auszahlung aus der Vertragserfüllungsbürgschaft. Die Bank verweigert die Auszahlung, da sie meint, die Sicherungsklausel sei unwirksam. Der Auftraggeber verklagt die Bank.
ENTSCHEIDUNG
Der Auftraggeber unterliegt vor dem Landgericht Hannover und Oberlandesgericht Celle. Die Gerichte erachten die Sicherungsklausel für unwirksam.
- Bei den Sicherungsklauseln handelt es sich um vorformulierte Klauseln des Auftraggebers, die er für eine Vielzahl von Fällen verwendet und nicht mit dem Auftragnehmer ausgehandelt hat. Es handelt sich also um sog. Allgemeine Geschäftsbedingungen („AGB“) des Auftraggebers.
- AGB unterliegen der sog. AGB-rechtlichen Klauselkontrolle. Danach sind sie AGB-rechtlich unwirksam, wenn sie nach Treu und Glauben den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen.
- Bei AGB-Sicherungsklauseln des Auftraggebers in Bauverträgen ergibt sich die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers insbesondere dann,
- wenn die Sicherheit für Erfüllungsansprüche über 10 % der Auftragssumme liegt,
- wenn die Sicherheit für Mängelansprüche nach Abnahme (Gewährleistungsansprüche) über 5 % (bei öffentlichen Auftraggebern über 3 %) der Auftragssumme liegt,
- wenn bei Gesamtschau von Vertragsklauseln der Auftraggeber auf beide Sicherheiten gleichzeitig für einen gewissen Zeitraum zugreifen kann, sodass sich eine Übersicherung ergibt.
- Dadurch, dass hier die Vertragserfüllungsbürgschaft auch Mängelansprüche nach Abnahme sichert und die Rückgabe nicht ausschließlich von Fertigstellung und Abnahme abhängt, sondern erst nach Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche (Gewährleistungsfrist) zu erfolgen hat, war es dem Auftraggeber möglich, für die Dauer der Gewährleistungsfrist (oder bis zum vereinbarten Rückgabezeitpunkt für die Mängelansprüchesicherheit) auf beide Sicherungen - also 15 % der Auftragssumme - für seine Mängelansprüche nach Abnahme zuzugreifen. Daraus ergibt sich eine Übersicherung, sodass beide Sicherungsklauseln - Vertragserfüllungssicherung und Gewährleistungssicherung - unwirksam sind und der Bürge aus der Vertragserfüllungsbürgschaft nicht auszahlen muss
FAZIT / PRAXISHINWEIS
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle zeigt die Tücke mit den Sicherungsklauseln und einmal mehr, warum juristische Beratung bei Vertragsgestaltung wichtig ist. Wir unterstützen Sie gern.