Immobilien- & Baurecht
Abschied vom Schriftformerfordernis bei Gewerbemietverträgen? Bundeskabinett beschließt mit dem Regierungsentwurf zum BEG IV die Textform für Gewerbemietverträge
Immer wieder wurde in den letzten Jahren eine Neuregelung bzw. die Streichung des Schriftformerfordernisses im Gewerberaummietrecht diskutiert. Etwaige Reformbestrebungen scheiterten allerdings bis jetzt. In jüngster Vergangenheit wurde die Diskussion durch den Entwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) erneut angeregt. Die nun von der Bundesregierung beschlossene Fassung sieht vor, das Schriftformerfordernis v.a. im Gewerberaummietrecht für Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, zur Textform herabzustufen (Neufassung § 578 Abs. 1 BGB). Sollte dieser Entwurf verabschiedet werden, kann das eine Erleichterung des Rechtsverkehrs bedeuten, die jedoch zugleich mit mehr Prüfungsaufwand im Ankaufsprozess verbunden sein dürfte.
Ausgangslage
§§ 550, 578 BGB sieht derzeit ein strenges Schriftformerfordernis für Mietverträge über Wohn- und Gewerberaum vor, wenn die Vertragspartner des Mietverhältnisses über eine feste Laufzeit von mehr als einem Jahr gebunden sein soll. Dieses Erfordernis gilt nicht nur für die ursprüngliche Mietvertragsurkunde, sondern auch für sämtliche spätere Änderungen. Bei Nichteinhaltung der Schriftform gilt der gesamte Mietvertrag – statt über die vereinbarte feste Laufzeit – als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann unabhängig von der vereinbarten Laufzeit von beiden Parteien innerhalb der gesetzlichen Frist gekündigt werden. Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete“), wonach der in ein bestehendes langfristiges Mietverhältnis eintretende Erwerber zwar an bestehende Mietverträge gebunden ist, jedoch vor unbekannten – in erster Linie nicht schriftlichen – Vereinbarungen geschützt werden soll.
Kritik an der bestehenden Rechtslage
Die aktuelle Rechtslage sieht sich zunehmenden Reformforderungen ausgesetzt. Mitunter am stärksten kritisiert wird die Tatsache, dass die Anwendung des § 550 BGB die Intention des historischen Gesetzgebers verfehle und in der Praxis „zweckentfremdet“ und „missbraucht“ werde. Nach Vorstellung des Gesetzgebers dient § 550 BGB vorrangig dem Schutz des Erwerbers und räumt diesem die Möglichkeit ein, sich von einem (langfristigen) Vertrag zu lösen, über dessen Inhalt er keine vollständige Kenntnis hat, da der Vertrag insgesamt oder zum Teil nicht schriftlich vereinbart wurde. Aufgrund der mehrmals bestätigten Rechtsprechung des BGH gilt diese Möglichkeit jedoch auch für die Ursprungsparteien des Vertrages, so dass im Falle eines Formverstoßes sowohl ein Vermieter sich eines unliebsamen Mieters entledigen als auch ein Mieter die Kündigungsmöglichkeit als Druckmittel gegen den Vermieter ausnutzen kann. Allein die Androhung der Schriftformkündigung kann ein erhebliches Druckmittel darstellen.
Im Ergebnis besteht in der Praxis ein ständiges Risiko für den Bestand befristeter Mietverträge, da Schriftformfehler geradezu gesucht und für die eigene Verbesserung der rechtlichen Position genutzt werden. Mit der endgültigen Verwerfung von Schriftformheilungsklauseln durch den BGH im Jahr 2017 (BGH, Urteil vom 27.09.2017, XII ZR 114/16) besteht auch nahezu keine Möglichkeit mehr, einem Schriftformverstoß vorzubeugen oder einen solchen nachträglich ohne Einverständnis der anderen Partei zu heilen, um die Gefahr einer ordentlichen Kündigung auszuschließen.
Bisherige Diskussion und Reformbestrebungen
Bereits 2019 hatte der Bundesrat beschlossen, einen Gesetzesentwurf in den Bundestag einzubringen. Dieser sah eine Neuregelung des § 550 BGB vor, nach der die vorgesehene Kündigungsmöglichkeit auf Veräußerungsfälle beschränkt werden sollte, so dass nur der Erwerber einer Immobilie ein bereits bestehendes Mietverhältnis binnen drei Monaten ab Kenntnis eines Schriftformverstoßes kündigen können sollte. Dem Mieter und ehemaligen Vermieter sollte eine solche Kündigungsmöglichkeit hingegen verweigert werden. Die Bestrebungen des Bundesrats scheiterten jedoch, da der Bundestag den Gesetzesentwurf ablehnte.
Im Jahr 2021 legte das Bundesjustizministerium (BMJ) einen differenzierten Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht vor. Das BMJ verfolgt den Ansatz, mit § 578a BGB eine neue Vorschrift einzufügen, wonach das bisherige Schriftformerfordernis weiterhin für den (ursprünglichen) Mietvertrag gelten sollte, nicht aber für spätere Änderungsvereinbarungen, für die dann die Textform genügen sollte. Folglich wäre eine Kündigung nur bei Verstoß gegen das Schriftformerfordernis im Mietvertrag möglich gewesen, nicht aber bei Verstößen gegen die für Änderungsvereinbarungen geltende Textform.
Vor- und Nachteile des geplanten Wechsels von der Schriftform zur Textform
Der nun vorliegende Entwurf reduziert v.a. für Gewerberaummietverträge das Formerfordernis von Schriftform zu Textform. Das hätte zur Folge, dass neben einfachen elektronischen Signaturen (docusign o.ä.) künftig auch E-Mail-Verkehr, SMS oder Messenger-Nachrichten zu formwirksamen Abschlüssen und Änderungen wesentlicher Inhalte von Gewerberaummietverhältnissen führen könnten. Für Wohnraummietverträge gilt diese Änderung nicht; hier soll es bei dem Schriftformerfordernis bleiben.
Dem digitalen Wandel und dem vereinfachten, beschleunigten und entbürokratisierendem Vertragsabschluss wäre damit Rechnung getragen. Auch die missbräuchliche Anwendung von Schriftformkündigungen dürfte wohl beendet sein, da der Nachweis der Textform in der Praxis des täglichen Geschäfts einfacher gelingen dürfte und nahezu nur noch mündliche Nebenabreden eine vorzeitige Kündbarkeit des Mietverhältnisses begründen. Das pauschale Argument, dass auch in anderen Rechtsgebieten Verträge formfrei abgeschlossen werden können, überzeugt mit Blick auf den Erwerberschutz des § 550 BGB jedoch nicht. In anderen Rechtsgebieten gilt regelmäßig die Relativität des Schuldverhältnisses, also ein Schuldverhältnis grundsätzlich Rechte und Pflichten nur zwischen den beteiligten Parteien begründet. Dies ist im Mietrecht aufgrund der Regelung des § 566 BGB (Kauf bricht nicht Miete) gerade nicht der Fall. Der Erwerber muss mit dem bereits begründeten Mietverhältnis weiterleben.
Ob zudem ein Dokumentations- und Informationsverlust im Sinne des Erwerberschutzes - wie von Branchenverbänden teilweise angenommen wird - nicht zu befürchten ist, kann ebenfalls durchaus diskutiert werden. Will ein Erwerber im Rahmen der Ankaufsprüfung künftig den aktuellen Inhalt eines Gewerberaummietvertrages ergründen, muss er wohl nicht nur nach dem Mietvertrag und den zugehörigen Nachträgen fragen. Vielmehr wird er sich den gesamten textlichen Schriftverkehr zum Mietverhältnis vorlegen lassen und diesen prüfen müssen. Ob kaufvertragliche Gewährleistungen und Garantien bei den Verkäufern durchzusetzen sind, damit eine solch umfangreiche Prüfung möglichst umgangen oder zumindest abgesichert werden kann, wird sich zeigen.
Ausblick
Der Regierungsentwurf ist dem Bundesrat nun zur Stellungnahme weitergeleitet worden. Nach der Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung wird der konsolidierte Entwurf dann zur Beratung an den Bundestag weitergeleitet.