Corporate & Commercial
Neue Pflicht zur Verwendung einer „No Russia Clause“ in Lieferverträgen - Praxisrelevante Änderung ab dem 20. März 2024 auch für bestehende Verträge
++ 12. Sanktionspaket Russland (Verordnung (EU) 2023/2878) ++
Mit dem 12. Sanktionspaket hat die EU die bestehenden Sanktionen gegen Russland aufgrund dessen anhaltenden völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine angepasst und erweitert. Insbesondere in puncto russischer Waffentechnik gibt es neue Erkenntnisse, die die EU dazu veranlasst haben – neben weiteren Maßnahmen – auch Unternehmen stärker in die Sanktionsdurchsetzung einzubeziehen.
Hintergrund der hier thematisierten Änderung sind gemeinsame Ermittlungen der EU, der USA, des Vereinigten Königreichs und Japans, deren Behörden auf dem Schlachtfeld in der Ukraine aufgefundene Güter und Waffensysteme untersucht und deren Zusammensetzung analysiert haben. In dieser Betrachtung wurden einige neue Warengruppen identifiziert, die für die Entwicklung, Herstellung oder Verwendung von russischen Militärsystemen von entscheidender Bedeutung sind und daher konsequenterweise nun verstärkt unter die Sanktionsregeln fallen.
Dabei wurde erneut sichtbar, dass nach wie vor Umgehungsrouten und -methoden verwendet werden, um verbotene Ausfuhren über Umwege nach Russland zu transportieren. Um die Unterbindung solcher Geschäfte weiter zu stärken, sollen auch Unternehmen vermehrt in die Pflicht genommen werden.
Welche Pflicht wurde neu eingeführt?
Gemäß dem neuen Artikel 12g der VO (EU) Nr. 833/2014[1] gilt für bestimmte Unternehmen eine Pflicht zur Anpassung ihrer Verträge:
Werden bestimmte gelistete Güter oder Technologien in ein Drittland verkauft oder geliefert, müssen die Ausführer ab dem 20. März 2024 die Wiederausfuhr nach Russland vertraglich verbieten (sogenannte „No Re-Export to Russia Clause“ oder kurz „No Russia Clause“). Verpflichtend ist außerdem, dass der Vertrag Strafmaßnahmen vorsieht, wenn der Vertragspartner dagegen verstößt oder die Einhaltung des Verbots seinerseits nicht genügend sicherstellt. Wie diese Pflicht konkret umgesetzt wird, kann jedes Unternehmen selbst entscheiden. Die europäische Kommission hat als Arbeitshilfe einen unverbindlichen Textvorschlag bereitgestellt[2]. Werden Verstöße des Vertragspartners gegen das Re-Export-Verbot bekannt, müssen diese in Deutschland an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gemeldet werden.
Die europäische Kommission hat in einem FAQ[3] zur neuen Regelung klargestellt, dass in Anbetracht des Umgehungsrisikos ohnehin von den Unternehmen erwartet wird, angemessene „due diligence“ Maßnahmen einzurichten, um verdächtige Fälle zu identifizieren und notfalls zu stoppen.
Von Exporteuren wird außerdem erwartet, den Verkauf zu unterlassen, wenn ein Käufer von betroffenen Waren aus Drittstaaten nicht bereit ist, eine „No Russia Clause“ zu unterzeichnen.
Wer ist betroffen?
Die neue Pflicht gilt aber nicht für alle Unternehmen, die ins Ausland liefern. Betroffen von der Regelung sind Unternehmen, die mit Gütern des Anhangs XI, XX, XXXV oder XL der VO (EU) Nr. 833/2014 oder Anhang I der VO (EU) Nr. 258/2012 handeln und diese außerhalb der EU verkaufen. Grob umrissen sind das folgende Warengruppen:
- Integrierte Schaltungen (Mikroelektronik), Halbleiterbauelemente sowie Maschinen, Apparate und Geräte für deren Herstellung
- Elektronikartikel für drahtlose Kommunikation, satellitengestützte Funknavigation und passive elektronische Bauteile
- diskrete elektronische Bauteile, elektrische Stecker und Steckverbinder, Navigationsgeräte und Digitalkameras; auch mechanische und nichtelektronische Bauteile wie Lager und optische Bauteile
- Fertigungseinrichtungen zur Herstellung und Qualitätsprüfung von elektrischen Bauteilen und Schaltungen
- CNC-Werkzeugmaschinen für die Metallbearbeitung und zugehörige Komponenten
- Luftfahrzeuge und Raumfahrzeuge sowie Teile und Betriebsmittel dafür
- Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive sowie
- bestimmte Feuerwaffen sowie Komponenten dafür.
Gibt es auch Ausnahmen?
Die neue Regelung gilt grundsätzlich für alle Verträge über betroffene Waren, jedoch gibt es auch eine Altvertragsregelung.
Alle Verträge, die nach dem 19. Dezember 2023 geschlossen wurden, müssen bis spätestens zum 20. März 2024 angepasst werden. Galten sie bereits vor dem 19. Dezember 2023, gilt eine Übergangsfrist bis spätestens 19. Dezember 2024.
Rein innereuropäische Lieferungen sind von der Neuregelung nicht betroffen. Ausgenommen sind außerdem Lieferungen in die USA, die Schweiz und das Vereinigte Königreich, sowie nach Japan, Südkorea, Australien, Kanada, Neuseeland und Norwegen.
Was ist für Unternehmen jetzt zu tun?
- Überprüfung der relevanten Anhänge: Fallen die eigenen Produkte im Warenstamm darunter?
- Wenn ja: Aufnahme einer „No Russia Clause“ in Lieferverträge erforderlich! Lieferungen in betroffene Drittländer ohne ausreichende Vertragsprüfung bergen das Risiko eines Sanktionsverstoßes.
- Bei konzernverbundenen Gesellschaften: Überprüfen, ob die Aufnahme der Klausel überall ausreichend umgesetzt ist (mehrstufige Lieferbeziehungen)
- Aufnahme einer „No Russia Clause“ in die eigenen Verkaufs-AGB oder Lieferbedingungen als Standard zur zusätzlichen Absicherung
- Compliance-Vorgaben unbedingt beachten: Die Klausel allein kann nicht alle Compliance-Maßnahmen erfüllen. Wir empfehlen die Einrichtung von Compliancestrukturen, die eine laufende Überwachung und die Erfüllung aller exportkontrollrechtlicher Vorgaben leisten können.
Für die Umsetzung der neuen Vertragsregelung oder bei Fragen zu Einhaltung von Sanktionen, exportkontrollrechtlichen Vorschriften und zur Einrichtung eines Compliance-Systems sprechen Sie uns gerne jederzeit an.
Hinweis: Hier handelt es sich um eine vereinfachte und zusammenfassende Darstellung der neuen Regelung, die allein dazu dient, dem Leser einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verschaffen. Keinesfalls kann dies eine individuelle Beratung ersetzen.
[1] EUR-Lex - 02014R0833-20240215 - EN - EUR-Lex (europa.eu)
[2] “No re-export to Russia” clause - European Commission (europa.eu)
[3] Frequently asked questions concerning the “No re-export to Russia” clause and sanctions adopted following Russia’s military aggression against Ukraine (europa.eu)